Victoria Kuhlen

Warum haben Sie sich selbständig gemacht?

Ich bin ein freiheitsliebender Mensch. Der Schritt in die Selbstständigkeit ist mehr als nur eine wirtschaftliche und rein sachliche Entscheidung. Es ist auch eine Frage danach, wie man als Mensch beschaffen ist und was man für Bedürfnisse hat. Mein Wunsch, eine eigene Praxis zu eröffnen, war schon während des Studiums da. Der Gedanke war alles andere als „exotisch“, da es sich in den Heilberufen anbietet, zu gründen – gleichzeitig war die Vorstellung anfangs aber auch beängstigend.

So begann ich mein Arbeitsleben als angestellte Chiropraktorin. Mit jedem der drei Jahre, die ich angestellt war, wuchs das Bedürfnis, selbst etwas erschaffen und mich selbst ausdrücken zu wollen – ohne um Erlaubnis bitten zu müssen oder auf Zustimmung zu hoffen. Das war in der Praxis, in der ich arbeitete, nur bedingt möglich.

Ich bin mir sicher, dass es viele tolle Angestelltenjobs gibt, in denen man eine freie Zeiteinteilung, gutes Gehalt etc. genießt. Für das, was ich tue und wie ich bin, ist die Selbstständigkeit definitiv ideal und ich würde den Weg wieder so wählen. Das kann aber von Branche zu Branche und von Typ zu Typ stark variieren.

Was war/ist Ihre Unternehmensidee/Philosophie?

Es ist mein Anliegen, Patienten und Patientinnen dafür zu sensibilisieren, eigenverantwortlich mit sich und ihrer Gesundheit umzugehen. Ich kann niemanden „gesund machen“. Das muss begriffen werden. Ich kann helfen, erinnern, Impulse geben und ein schmerzfreies Zeitfenster schaffen. Meine Patienten und Patientinnen und ihre Verantwortung stehen im Fokus der Arbeit, weniger mein Tun. Wichtig ist die Zusammenarbeit. Ich sage immer: „Mir sollte es nicht wichtiger als Ihnen sein, dass es Ihnen besser geht“.

Was bedeutet Innovation für Sie?

Lat. Innovare – „erneuern“, „verändern“. Genau das bedeutet Innovation für mich. Im Großen, wie im Kleinen. Innovation kann fachlicher Natur sein, es können veränderte Abläufe oder ein neuer Anstrich sein. Es kann auch den eigenen Umgang mit bestimmten Situationen und Themen meinen.

Innovation bedeutet für mich, Veränderung auf jeder Ebene und die jeden Tag passiert. Eine Veränderung muss nicht immer riesig und für jeden sichtbar sein. Man sollte in Bewegung bleiben, damit es voran gehen kann. Das gilt für den Körper ebenso, wie für den Geist.

Welche Herausforderungen gab es bis zur Gründung, welche danach?

Ich möchte hier kein falsches Bild zeichnen aber bis zur Gründung gab es keine wirklichen Herausforderungen. Wofür ich auch im Nachgang immer noch sehr dankbar bin.

Nach der Gründung wurde ich allerdings mit Themen wie Steuerrecht, Finanzen, Altersvorsorge, Zeitmanagement privat wie beruflich, das Setzen von Grenzen usw. konfrontiert. Die Liste ist endlos und auch heute, sieben Jahre nach der Praxiseröffnung, ist nichts von alledem „abgeschlossen“. Es gibt immer Herausforderungen. Aber der Umgang damit verändert sich, Zustände verändern sich. Ich werde reifer, mache Fehler, lerne dazu und weiter geht’s.

Von Seiten der Hochschule gab es für die genannten Themen keine Unterstützung. Weder während des Studiums noch danach. Das stellt durchaus einen Nachteil bezüglich der vermittelten Inhalte eines solchen Studiums dar. Neben den fachlichen Inhalten müsste viel stärker thematisiert werden, was es bedeutet, selbstständig/unternehmerisch tätig zu sein.

Was macht Ihnen an der selbständigen Tätigkeit am meisten Spaß?

Ich genieße die Selbstwirksamkeit und die Eigenverantwortung. Wenn etwas schief geht, trage ich dafür die Verantwortung. So aber auch, wenn etwas endlich klappt oder etwas Schönes durch mein Zutun passiert. Wenn ich etwas verändern möchte, kann ich das einfach tun. Durch diese direkte Kausalität bin ich bereit, immer einen Schritt mehr als nötig zu gehen. Das zeichnet sich auch im Ergebnis ab. Die Patienten und Patientinnen kommen gerne in die Praxis und ich gehe mit Freude zur Arbeit. Die freie Zeiteinteilung, sofern man ein gutes Zeitmanagement hat, ist auch nicht schlecht.

Welche Erfahrungen machen Sie/haben Sie gemacht?

Das Arbeiten mit Menschen ist in vielerlei Hinsicht sehr schön und lehrreich. In meinem Beruf erfährt man viel Dankbarkeit und Wertschätzung. Das ist unheimlich wichtig, denn es motiviert! Im Ganzen gesehen, erfahre und lerne ich durch den Umgang und die Arbeit mit Menschen sehr viel über mich selbst – das empfinde ich als großartig. Wie einer meiner Lieblingsautoren, David Steindl Rast, zu sagen pflegt: „Ich bin durch Dich so ich.“

Was bedeutet für Sie Erfolg?

Wenn ich ganz ehrlich bin, dann fühlt sich an manchen Tagen das Ankommen im Bett am Abend erfolgreich an. Seit einigen Jahren begleitet mich eine chronische Erkrankung. Dieser Fakt macht meine selbstständige Tätigkeit sicherlich nochmal herausfordernder, als wenn ich kerngesund wäre. An Abenden von schlechten Tagen macht es mich sehr froh, wenn tagsüber alle zufrieden waren – meine Person natürlich eingeschlossen. Mehr braucht es da nicht.

Im Großen und Ganzen jedoch bedeutet Erfolg für mich, wenn ich durch das Was, Wie und Wer ich bin, gut davon leben kann, glücklich bin und es schaffe, Beruf und Privates in Balance zu halten.

Was empfehlen Sie anderen Gründerinnen?

Eine Selbstständigkeit ist immer fordernd und man kann immer mehr arbeiten, als es die Zeit hergibt. Deshalb empfinde ich es als wichtig, am besten von Anfang an darauf Acht zu geben, dass man klare Strukturen schafft, herausfindet, wo die eigenen Belastungsgrenzen liegen und sich dementsprechend verhält. Natürlich kann man auch mal darüber hinweggehen aber nicht permanent. Pausen, Urlaub, Sport, Schlaf, die richtige Ernährungsweise und, nicht zuletzt, Freude am Leben sind wichtig. Das eigene Wohlergehen ist das A und O. Geht es Ihnen gut, so kann es auch Ihrem Unternehmen gut gehen. Nicht andersherum.

Victoria Kuhlen von Chiropraxis Kuhlen